26. Dezember 2007
P.S: Frohe Weihnachten!
Nein, ich war nicht in der Karibik (ich bin kein Fussballer, und künstliche Titten habe ich auch keine), und in Kirgisien war ich auch nicht (Mamma weiss nicht spontan, wo das ist, wie sie sagt, und befürchtet drum, dass ihre Gebete mich nicht erreichen in solchen Gegenden).
Ich war die ganze Zeit hier, das heisst in Bethlehem, denn seit meine proaktiv katholische Mutter vor einer Woche nach Zürich kam, im Gepäck 34 Flaschen Wein, Lasagne, meinen Vater, Radicchio Trevisano, zwei Bananenschachteln Kriegsproviant, durfte ich das Haus, wo mit Mamma plötzlich der Heilige Geist zurückgekommen scheint, nicht mehr verlassen.
"Zuerst wird gegessen!" Jeder Antrag, zwischendurch vielleicht das Zvieri ausfallen zu lassen, war nach eingehender Prüfung aller möglicher Varianten von meiner Mutter verworfen worden.
Morgen reist sie wieder heim, glücklich, dass ihr Sohn wieder etwas Farbe hat im Gesicht und zwei, drei Kilos mehr auf den Rippen, was ihn, wie sie glaubt, ohne Probleme durch diesen harten Winter bringen sollte.
Grazie Mammina! Du kochst göttlich.
Heute sprach der Papst seinen bekannten sozialkritischen Segen Urbi et Orbi, was übersetzt soviel heisst wie "taubstumm und blind", also uns alle betrifft, die wir mit geschlossenen Augen durch die Welt gehen, unfähig, das Leid zu sehen, das uns umgibt, geschweige denn, dieses Leid auszusprechen.
Zum Beispiel:
Wieso trifft Nkufo mit seinem Klub regelmässig in des Gegners Gehäuse, am letzten Wochenende zum elften Mal (!), und in der Nationalmannschaft orientiert er sich an den synoptischen Evangelien? ("Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Kufo ins Tor komme.")
Auch das hat der Papst heute damit gemeint: Fragt nach, wenn ihr das Leid seht, und redet darüber.
Nkufo wäre die Geschichte, die ich erzählen würde, würde ich noch erzählen.
Hat sich der Aufstand um St.Blaise gelohnt?
Andere werden die Antwort geben müssen, denn mit diesen Zeilen verabschiede ich mich.
„Niemand kann zweien Herren dienen. Entweder er wird einen hassen und den andern lieben, oder wird einem anhangen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Frank dienen und dem Roger.“ (Mt. 6:24)
Mit anderen Worten: Ich wechsle als Assistenztrainer an die Dufourstrasse und kann somit weder die Fussball-Kolumne noch diesen Blog bei der Wewo weiterführen. Scholastiker beider Glaubensrichtungen haben die Sache geprüft, aus neutestamentarischer Sicht ist nur diese eine Lösung möglich.
Es wurde behauptet, ich hätte mich dem schönen Mammon hingegeben und den Weg des Geistes verlassen, ohne darauf hinzuweisen, dass ich fortan einen grösseren Obulus entrichten werde in Form von Tributzahlungen, die allen Mitbrüdern zugute kommen werden in Zürich, wo überall nach Gold geschürft wird in der Stadt, aber später dann an jener Stelle doch nur wieder eine neue Strasse geteert ist.
Nein, es ist dies nicht der einzige Grund, Kirche zu wechseln. (Vgl. dazu: Jochen Weiß: Mammon. Eine Motivgeschichte zur Religiosität des Geldes. Dissertation, Universität Mannheim 2004.)
Wer monokausalen Erklärungen misstraut, wage drum in Zukunft einen Blick auf anderes Papier. Vielleicht lohnt es sich.
Vorderhand bleibt mir nichts anderes übrig, als allen zu danken, die hier mitgemacht haben. Abgemacht war, bis zum EM-Titel der Schweizer zu bloggen. Ich bitte um Nachsicht, die Waffen frühzeitig zu strecken.
Am 20. Februar findet der nächste Fussball-Talk im El Lokal statt. Die Kulturinsel an der Sihl ist religionslos, bis zur EM ziehen wir das zumindest in diesem Rahmen voraussichtlich wie versprochen durch.
Bis dann wünsche ich allen weiterhin offene Ohren und offene Augen!
Grazie & arrivederci, wdg
P.S. Frohe Weihnachten!
Dezember 26, 2007, 01:30 vorm.
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11. Dezember 2007
Apropos El Lokal und Modefan
Der vorvorletzte Kommentar erinnert mich daran, daran zu erinnern, dass am kommenden Mittwoch, 12. Dezember, der letzte Fussball-Talk in diesem Jahr stattfindet. Wie immer im El Lokal (www.ellokal.ch), ab 20 Uhr. Die Gäste:
1. Murat Yakin. Er wird uns sagen, wann es bei GC knallt (diese Woche noch?), wann er seine Trainerdiplome alle hat (WM Patagonien 2054?) und wieso sein Ruhepuls aufgerundet 17 ist.
2. Johnny Leoni. Er wird uns verraten, ob er auf Italo-Western steht, in welcher Sprache er sich mit Tihinen ganz hinen in der Verteidigung abspricht und was er von einem hält, der solch dämliche Fragen stellt.
3. Hansruedi Hasler. Er ist der Königsmacher im SFV, offiziell Technischer Direktor genannt. Er ist Erfinder des 40-er Kaders, des Rotationsprinzips und Köbi Kuhns.
Es ist die letzte Gelegenheit vor Weihnachten, sich bei Glühwein und Manderinli gemeinsam über das Wesentliche im Leben zu unterhalten.
Was mir diesbezüglich schon lange auf der Zunge brennt, der Modefan, hier nur nebenbei:
Ich werde verdächtigt, ein Modefan zu sein, vom Blogger Simon, der im Büro gleich hinter mir sitzt und Brunner heisst, ein Agent Provocateur (keine Unterwächse, nein!) und GC-Fan. Er kann nicht fassen, dass man nicht für eine einzige Mannschaft ist, denn er lässt sich von einem hermeneutischen Trugschluss blenden und alimentiert aufgrund falscher Prämissen, aber gezielt die Polemik, die eigentlich Kernkompetenz ist von dem, der vor ihm sitzt.
Modefan ist, wer heute dem Fussball zujubelt, morgen dem Synchronschwimmen, übermorgen dem Sackgumpen, dann an der WM wieder dem Fussball und zwischendurch nur Roger Federer.
Fussballfan hingegen ist, wer der sublimen Ästhetik des footballs verfallen ist, obwohl sie selten offenbar ist, wer die epische Tragödie erkennt, die sich hinter einem verschossenen Elfmeter verbirgt und gleichzeitig die Jubelfanfaren der Helden im Ohr hat, die Chorgesänge gregorianischer Bärte und die Glocken von Jericho, wer die philosophische Tiefe in einem 4-4-2 sucht und nie findet und trotzdem Kind und Frau und Haus abends verlässt, um sich bei Minusgrad den Hintern abzufrieren in einem halbleeren Stadion, weil er weiss, dass selbst beim ärgsten Gekicke ein perfekt getretener Freistoss möglich ist, ein überraschender Spielzug, ein magistrales Tor, wofür sich dann alle Frostbeulen der Welt gelohnt haben, wer als Halbbelichteter belächelt wird von den Synchronschwimmfans, weil nicht allein der graziös in Form gebrachte spitze Zehe die Kür entscheidet, sondern die Fähigkeit, den Zeh dergestallt in Position zu bringen, dass der Ball die richtige Reise nimmt, ja, diese Krankheit ist weder blau noch rot und weiss, sondern unheilbar polychrom, was fahnentechnisch komplex und nur dialektisch zu lösen ist, aber ein Höchstmass an Endorphinen garantiert, endogenem Morphin, ein körpereigenes Opioid, das euphorisierend wirkt im Gegensatz zur Kirche, die Dopingfahnder Marx als lähmendes Opiat entlarvte und weltweit vergeblich zu verbannen suchte statt Fussball zu spielen mit Engels, kurz: Spielt es eine Rolle, wessen Farbe ein Messi trägt, ein Kaka oder Ronaldinho solange sie uns teilhaben lassen an ihrem Leben, das nicht ist von dieser Welt? Spielt es eine Rolle, welches Shirt ein Maradona trug, als die Bälle ihm gehorchten wie keinem anderen nach ihm? Soll man umgekehrt die Übersicht eines Blinden feiern, weil er zufälligerweise die richtigen Stulpen trägt?
Ich erklär mich schuldig, ja, ich bin ein Fussballhedonist, frei von jeder Farbe, frei von jeder Mode, bis tief in die Knochen konservativ, denn eins nur strebe ich an, hüben wie drübn, den grösstmöglichen Lustgewinn. Ob GC, FCZ, Thun oder Avellino Calcio - wer drei Pässe ohne Fehler spielen kann, hat mich praktisch schon im Sack.
Zu viel verlangt?
(Bei Italien mache ich eine Ausnahme, aber auch nur an WM-Finals!)
Dezember 11, 2007, 12:10 vorm.
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06. Dezember 2007
Natascha Campus
Ich habe heute kurz mal vorbeigeschaut im GC Campus in Niederhasli. (Wie die Zürcher wohl spielten, hiesse der Ort Obertiger oder Superbären?) Jedenfalls wollte ich mir ein Bild machen von der Vorbereitung aufs Derby vom Sonntag. Sozusagen ein Besuch im Keller wie seinerzeit bei Natascha Campus (ich habe heute grad eine Pressemitteilung erhalten, dass die Wienerin eine eigene Talkshow erhalten soll und ich herzlich eingeladen bin, darüber zu berichten, was ich hiermit geschickt gemacht habe).
Insgesamt waren im GC-Kampusch total ein Journalist (inkl. mir) vor Ort, was aber Trainer Hanspeter Latour nicht daran hinderte, das Training trotzdem durchzuführen. Man kann nicht immer vor grosser Kulisse zaubern, und ganz allein waren die Jungs ja nicht.
Der Besuch hat sich sehr gelohnt und ja, um dem hartnäckigen Simon in diesem Blog zu antworten, früher gehörte GC zu meinen Lieblingsvereinen, als die Grasshüpfer noch Fussball spielten.
Vielleicht ist es bald wieder soweit, liebe GCler.
Jedenfalls muss ich nach dem heutigen Ausflug meine Meinung über Latour revidieren: Der Mann ist voll engagiert, geduldig und hat ein grosses pädagogisches Potential.
"I tüüfi spüue... nei, nei ...auä...valà, so gheits .. u hinge, u vore, u däte... u nomou...u hinge, u ache..u äha...u uhu..."
Zugeben, alles habe ich nicht verstanden, drum habe ich Verteidiger Gulliermo Vallori nach dem Training gefragt, was der Trainer ihm denn an Taktischem alles mitgegeben habe fürs Derby. Eine geschlagene Viertelstunde hatte Latour nämlich am Schluss der Übungseinheiten auf den 25-jährigen Spanier Vallori eingeredet. Er verstehe kein Deutsch, sagte mir der Spanier in seiner Muttersprache, aber er wisse, dass sogar Schweizer mit dem Dialekt des Trainers Mühe hätten.
"Wie weisst du denn, was der Trainer von dir verlangt?" - "Ich spüre, was er mir sagen will. Und nächstes Jahr nehme ich sowieso einen Deutschkurs."
Zuversichtlich stimmt auch die Neuverpflichtung in der GC-Verteidigung. Nicht so gross wie Vallori, aber stämmiger und mit Wollmütze bis tief in die Stirn. 1:0 gewann das A-Team das Abschlussmätschli gegen das B-Team von GC, der neue Spieler war einer der Besten der siegreichen Mannschaft: Seine Pässe waren präzis, ansatzlos und scharf getreten, sein Stellungsspiel makellos, seine Präsenz auf dem Platz war (entgegen Kubis Kritik, GC fehlten Persönlichkeiten) dominant, er strahlte Ruhe und Sicherheit aus. Kurz: Die langersehnte Verstärkung für GC.
Ich fragte den überragenden Spieler nach dem Training, ob er sich aufs Derby freue. "Ja, aber ich werde nicht spielen", sagte Murat Yakin. Und übrigens habe nicht das A-, sondern das B-Team das Mätschli gewonnen, seine Mannschaft eben, aber gegen den FCZ werde das A-Team einlaufen.
Das macht rein alphabethisch Sinn.
Ich habe Muri eingeladen, am kommenden Mittwoche, dem 12. Dezember 2007, beim Fussball-Talk im El Lokal mein Gast zu sein. Er soll uns erklären, wie es möglich ist, dass ein Frührentner wie er im GC-Spiel nach wie vor den Takt angeben kann, und wenn's nur bei einem Trainingsmätschli ist.
Vielleicht liegt's daran, dass er Latour nicht nur spürt, sondern auch versteht. Und sich immer schön ans Gegenteil hält. Oder vielleicht spürt er das Gegenteil von dem, was dieser sagt.
Meine Wettchancen mit Erich Vogel sind jedenfalls intakt, denke ich.
Der FCZ verlor heute 0:1 gegen Moskau, GC verlor 0:1 gegen GC, beide Teams stehen beim Derby unter grossem Erwartungsdruck. Oder wie Max Merkel sagen würde. Man verliert, gewinnt oder trennt sich unentschieden. Mehr liegt im modernen Fussball fast nicht mehr drin.
Dezember 6, 2007, 11:13 nachm.
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03. Dezember 2007
Auswärtsspiel gegen die Türkei
Schwierig für die Schweiz wird das Auswärtsspiel gegen die Türkei in Basel. Trotz Heimvorteil für die Türken sollte die Mannschaft von General Terim aber zu knacken sein. Wie sagte Terim gestern nach der Auslosung auf allen Kanälen von SF? Zuerst Freundschaft, dann Fussball.
Die Frage bleibt: Wie werden die Tickets verteilt, damit wenigstens gegen Portugal ein paar Schweizer Fahnen im Stadion wehen?
Apropos Fahnen: Meine Frau ist CH-Portugiesin, ich bin Niederlassung-B-Italo, dank erleichterter Einbürgerung bald Appenzeller, mein Sohn bleibt Römer - das Dilemma der richtigen Fahne wird mir bei jedem Sonntagsbrunch bewusst, wir verzichten drum beim Käffele grundsätzlich auf den Fahnengruss.
Der Holländer Leo Beenhakker zum Beispiel ist ein polnischer Heiliger, er sammelt weltweit Fahnen, in seinem Keller hat er auch eine von GC. Überall auf der Welt hat Don Leo schon gearbeitet, aber festlegen würde er sich nie. Ich traf Beenhakker am Abend vor der Auslosung bei einem Galadiner in Luzern:
"Herr Beenhakker, Gratulation im Nachhinein zu Ihrem Erfolg mit Polen." - "Vielen Dank. Es ist ein wunderbarer Erfolg." - "Wie ist das Leben als Heiliger?" - "Für mich hat sich nach dem Erfolg mit Polen nichts geändert, aber die Leute verehren mich tatsächlich wie einen von Gott Gesalbten. Ehrlich gesagt, es ist mir ein bisschen zu viel." - "Mit GC gelang Ihnen seinerzeit nichts Wunderliches, trotzdem schwärmen alle Spieler von Ihnen. Wieso?" - "Wir hatten eine gute Stimmung im Team." - "Thomy Bickel lässt Sie übrigens grüssen." - "Thomy, ein hervorragender Spieler! Wie auch Alain Sutter, Sforza, Gren, die jungen Murat, Ramon und Johann Vogel. Wir hatten ein Topteam." - "Wir sind angehalten worden, während der Gala keine Interviews zu führen, drum gehe ich jetzt wieder ans Dessertbuffet. Wollen Sie auch ein Schoggimousse?"
Don Leo, an meinem Nebentisch sitzend, wirkte den ganzen Abend lang sehr entspannt, als würde er ahnen, dass ihm die Götter am Tag darauf Deutschland zuteilen würden. Götter, die offenbar eine andere Vorstellung haben vom Begriff "Traumlos" als wir hienieden. Polen-Deutschland ist eine Traumbegegnung, Italien hat mit Frankreich und Holland ein Traumlos bekommen. Je schwieriger die Aufgabe, um so mehr Gefallen scheinen die Götter am Fussball zu haben.
Wir sollten ihnen nicht widersprechen.
Die Schweiz kann gegen die Türkei auswärts in Basel gewinnen, schwieriger wird das Eröffnungspiel gegen Tschechien zu Hause in Basel. Zu Portugal darf ich mich nicht äussern, aber wir werden wieder bittere Tränen vergiessen - zusammen am Public Viewing. Tickets fürs Stadion werden immer rarer.
Dezember 3, 2007, 10:01 vorm.
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