« Gut gemacht, Blick! | Start | P.P.S. Marco Streller »

17. August 2007

P.S. Marco Streller

Zwei Nachbemerkungen zum Interview mit Marco Streller (im aktuellen Heft der Weltwoche), den ich diese Woche vor dem Uefa-Qualifikationsspiel gegen Mattersburg (2:1) getroffen habe.
1. Ich habe Streller oft kritisiert, das heisst eigentlich immer, er ist mein Lieblingsopfer. Das weiss Marco, trotzdem hat er eingewilligt - nach meiner offiziellen Anfrage beim FCB -, mit mir zu reden (die SMS hatte er zuvor nicht beantwortet, ebensowenig nahm er das Handy ab - muss ich akzeptieren). Er ist ein sympathischer Kerl, drum hier auch die andere Seite des Problems Streller. Marco ist nicht gemacht für einen Ein-Mann-Sturm, doch genau in einem solchen Sturm spielt er beim FCB, oft auch in der Nationalmannschaft. Auf die Frage, ob er Angst um seinen Platz habe, jetzt, wo Blaise Nkufo sein Comeback im Schweizer Team gibt, sagte er, er spiele grundsätzlich gerne mit einem Sturmpartner. Das scheint mir eine ehrliche Antwort zu sein. Die Frage drum an Christian Gross, FCB-Trainer und zukünftiger Nationalcoach: Warum dem lieben Strelli nicht mal einen Support mitgeben auf den Weg in die Prärie?
"Ich werde nie so elegant aussehen wie ein Kubi Türkyilmaz", sagte mir Streller. Auch diese Einschätzung ist richtig. Er wirkt mit seiner Körpergrösse von gefühlten zweieinhalb Metern nicht eben beweglich. Aber im 16er zeigt er durchaus Qualitäten. "Wenn kümmert's", sagte mir WM-Abstauber Paolo Rossi vor wenigen Wochen in Stuttgart, "ob das Tor mit dem spitzen Knie oder mit dem Schienbein erzielt wurde. Hauptsache, der Ball ist drin."
2. Was mir bei ihm auf den Sack gehe, um es deutlich zu sagen, sei die Art, wie er mit Kritik umgehe. Er sei beim VfB gescheitert, was auch kein Skandal sei. Aber er solle doch endlich aufhören, sich selber etwas vorzumachen und das Gegenteil zu behaupten. Erstaunlicherweise gab mir Streller recht: "Ja, ich bin in Stuttgart gescheitert. Ich habe mir dort keinen Stammplatz erkämpft." So hatte ich das von ihm noch nie gehört. Und so stand es dann auch nicht in der Weltwoche. Denn die Presseabteilung des FCB liess diese Passage durch den Weichspüler. Heraus kam genau das Gegenteil von dem, was Strelli sagte. Nämlich: "Es ist mir nicht wünschgemäss gelaufen. Aber heisst das, dass ich gescheitert bin? Nein." Worauf ich mich mit dem vereinsinternen Weichspüler des FCB auf die Version geeignet habe: "Es ist mir nicht wünschgemäss gelaufen." Schade. Ich hatte zugesagt, dass Interview gegenlesen zu lassen, aber nicht umzuschreiben und inhaltlich auf den Kopf zu stellen. Womit sich die Frage stellt: Ist tatsächlich Strelli ein Weichei oder sind es seine Berater? Wieso Angst haben, wenn man die Wahrheit sagt, zumal diese Wahrheit (Streller/VfB) offensichtlich ist?
Hier das Interview für all jene, die diese Woche beim Kiosk vorbeischauten, aber keine gedruckte Ausgabe der Weltwoche mehr finden konnten:

Marco Streller, was denken Sie, wenn Sie einen Ball verstolpern?
Ich rege mich auf, ganz klar, aber ich würde nie so weit gehen, mir jedes Mal die Sinnfrage zu stellen. Dafür habe ich schon zu viele gute Momente im Fussball erlebt.

An der WM letztes Jahr waren Sie nach dem verschossenen Elfmeter im Achtelfinal gegen die Ukraine der Buhmann der Nation. Wieso eigentlich? Auch Ihre Kollegen haben verschossen.
Man hat mir meine Nervosität angesehen. Ich wollte den Elfmeter nicht schiessen, aber irgendeiner musste die Verantwortung übernehmen. Heute, ein Jahr danach, habe ich die Sache verdaut. Aber ich habe verdammt lang daran zu kauen gehabt. Ich bin einer, der gerne die Klappe aufreisst, ich wollte beweisen, dass auch etwas dahinter steckt. Giovanni Trapattoni hat mir mal gesagt: «Wenn du einen Elfmeter schiesst, dann immer mit Überzeugung.» Das war bei mir in dieser Szene leider nicht der Fall.

Roberto Baggio – er verschoss in einem WM-Final den entscheidenden Elfmeter – sagt: «Es kann nur jemand einen Penalty verschiessen, wenn er ihn auch schiesst.» Trotzdem: Für einen Profi war Ihr Schuss unterirdisch schlecht.
Es war ein fürchterlicher Elfmeter, ja. Als ich den Ball treten wollte, fehlte mir plötzlich die Kraft. Als hätte jemand den Stecker rausgezogen. Ich hatte Angst. Es war schlimm.

Unabhängig von dieser Szene – Sie sind ein Spieler, der polarisiert. Wissen Sie, wieso?
Zu Beginn meiner Karriere wurde ich nur gelobt, auch dann, wenn ich es nicht verdient hatte. Ich gewöhnte mich daran. Als ich erstmals kritisiert wurde, war das für mich eine ganz neue Erfahrung. Ich konnte nicht so gut damit umgehen und habe vielleicht falsch darauf reagiert, einen Spruch gemacht, der nicht angebracht war. Vielleicht habe ich damals einige Leute genervt. Was ich früher zu viel an Lob bekommen habe, wird heute durch übermässige Kritik kompensiert. Die Rechnung dürfte inzwischen ausgeglichen sein.

Ich finde, Sie könnten noch ein bisschen Kritik vertragen. Vor allem von Ihnen selbst.
Ich schiesse regelmässig meine Tore, auch in der Nationalmannschaft. Doch wie heisst es immer: Marco Streller schiesst ein Tor. Aber. Es kommt immer ein Aber. Auch nach dem Spiel gegen Argentinien. Ich war die einzige Spitze und habe gegen einen Weltklassegegner ein Tor geschossen. Aber. Das verstehe ich nicht. Ich habe nie behauptet, ich sei ein grosser Fussballer. Ich bin extrem selbstkritisch, extrem.

Dann liegt es an mir. Ich höre bei Ihnen immer einen leicht weinerlichen Ton heraus, vor allem wenn Sie über Ihre Erfahrungen in der Bundesliga sprechen. Sie haben sich in Deutschland nicht durchgesetzt — was kein Skandal ist — und suchen immer nach Ausreden.
Ich habe mich in Stuttgart nicht wunschgemäss durchgesetzt, das stimmt. Ich habe mir dort keinen Stammplatz erkämpft, aber ich hätte in Deutschland bleiben können. Doch ich wollte zurück zum FC Basel, weil ich hier das Vertrauen geniesse vom Trainer und einen Verein habe, der bedingungslos hinter mir steht. Ich habe keinen Grund, mich zu bemitleiden. Wenn das so rüberkommt, tut es mir leid. Ich bin stolz auf das, was ich – trotz Tiefen – bisher erreicht habe. Ich habe auf sehr viel Geld verzichtet, um nach Basel zurückzukommen. Es ist eine Herzenssache.

Als Profifussballer ist Ihnen Geld nicht wichtig, nur die Liebe zu einem Verein. Ich bitte Sie!
Ich verdiene beim FC Basel nicht wenig, aber sechs Jahre hier entsprechen vom Lohn her drei Jahren in der Bundesliga. Ob Sie’s glauben oder nicht – es ist eine Herzensangelegenheit. Ich bin seit Kind ein FCBler, ich werde es immer sein.

Ausgeschlossen, dass Sie jemals für den FCZ spielen werden?
Man soll in unserem Beruf nie nie sagen. Mit einer Ausnahme: Für den FCZ werde ich nie spielen. Das ist genetisch unmöglich.

Eine letzte Frage zur Nationalmannschaft. Nächste Woche spielt die Schweiz gegen Holland. Neu im Aufgebot: Goalgetter Blaise N’Kufo. Angst um Ihren Platz?
Wieso?

August 17, 2007, 11:23 nachm.
Permalink

TrackBack

TrackBack-Adresse für diesen Eintrag:
https://www.typepad.com/services/trackback/6a00d8341bf87453ef00e5507e2cd28834

Listed below are links to weblogs that reference P.S. Marco Streller:

Kommentare

WdG, merci für den Blogg und die Einleitung. Dachte doch, das was "faul" an dem Inti ist. Hoffe, der Strelli antwortet jetzt auf deine SMS und Telefonate. Wer kritisiert, soll auch mal Loben, wenn es der Wahrheit entspricht. Gratulation WdG, weiter so.

Kommentiert von: Travis | 18.08.2007 15:13:14

Ich denke, es ist nun nicht angebracht, sich wie die Geier im Kollektiv über den Streller herzumachen. Wir haben ja nicht viele tauglichen Stürmer, und ob denn der N'Kufo besser sein wird, muss sich erst noch weisen. Und passt er überhaupt zu Alex Frei?

So schlecht ist der Streller auch wieder nicht, sein grösstes Problem sind die ständigen Verletzungspausen. So gesehen, ist er einfach auch zu wenig robust für das Ausland. Aber unter unserem künftigen Nati-Coach Gross (hoffentlich noch vor der EURO2008!!!!!) traue ich der Giraffe eigentlich schon eine gute Saison zu, wenn er denn nicht ständig verletzt sein wird.

Vielleicht kann ihn der Gross ja auch noch dazu bewegen, täglich eine halbe Stunde zusätzliches Kopfball-Training (inkl. Schnellkraft) einzulegen. Mit seiner Körpergrösse müsste er mehr Kopfballtore erzielen.

Ich denke, konstruktive Kritik bringt uns weiter, als uns permanent über einen Spieler Lustig zu machen. Klar, so hin und wieder einen kleinen sarkastischen Seitenhieb à la WdG schadet ja nicht.

Mehr habe ich mich am vergangenen Donnerstag über den Auftritt des ewig grossen Talents, Hakan Yakin, gewundert. Der bewegt sich derzeit mit seinem Übergewicht etwa so geschmeidig wie ein Tanzbär über den Fussballplatz. Ich war zwar immer ein Fan seiner Spielweise, und ich bin auch nicht der Meinung, dass es in einem Team nur noch Wadenbeisser braucht. Aber in dieser Verfassung hat er auf internationaler Ebene nichts, aber auch gar nichts mehr zu bestellen. Und was sind das doch für Trainer-Versager, die da nicht einschreiten und sagen: «Hakan so nicht, wenn du es nicht mal fertig bringst, in der Saison vor der Heim-EURO dein Idealgewicht zu erlangen und halten, dann hast du im Spitzenfussball nichts mehr verloren.»

Da hilft nur noch eins. Zurücktreten und ein Spezialitätenrestaurant eröffnen - mit der Anschrift: «BASTA FINITO!»

Kommentiert von: hopp-schwiiz2008.ch | 18.08.2007 14:20:56

"Auf die Frage, ob er Angst um seinen Platz habe, jetzt, wo Blaise Nkufo sein Comeback im Schweizer Team gibt, sagte er, er spiele grundsätzlich gerne mit einem Sturmpartner."

Wieso steht dann im Interview nicht mehr als ein (je nach Anschauungsweise) entweder naiv wirkendes (wirken sollendes?) oder selbstbewusstes "Wieso"? Das mag ja unterhaltend sein, aber ist es nicht auch ein wenig sinnentstellend? Muss man Blogs lesen und nicht die "Weltwoche", wenn man wissen will, was Marco Streller gesagt hat?

Kommentiert von: Ronnie Grob | 18.08.2007 11:39:03

nur soviel, streller hat eine sehr beachtliche quote an toren in länderspielen, weiss ziemlich genau, wann er einen scheissdreck geboten hat und er ist eine ziemlich ehrliche haut wer ihn kennt. sein einziges problem: zu wenig talent und zu viele lebensfreuden für einen erfolgreichen profifussballer. habe fertig.

Kommentiert von: rinarsson | 18.08.2007 00:31:50

danke, wale! motivation um etwas weniger zigaretten zu rauchen und die nacht durchzuarbeiten.

nun ja - das orakel von delphi würde streller gut tun. warum nicht eine sammelaktion starten und ihm zwei tickets schenken, hehe.
- war er auf drogen?

Kommentiert von: pitsch | 18.08.2007 00:06:18

Die Kommentare dieses Eintrags sind geschlossen.