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30. August 2007
Einzige Überraschung: Ajax
Nichts Neues vom Besten: Der FCZ, souveräner Leader in der Schweiz, bleibt international auf der Strecke. War Salzburg letztes Jahr Endstation, so kamen die Zürcher gestern bis nach Istanbul. Das grosse Geld (und ein bisschen Ruhm) bleibt ihnen weiterhin verwehrt. Womit sich nach dem Aus gegen Besiktas Istanbul die Frage stellt, ob man die 10 Millionen Franken, die Berlin für Raffael geboten hat, nicht besser hätte annehmen sollen statt den Spieler zu halten.
"In Istanbul hat Raffael keine Akzente setzen können, was man von einem Spieler in dieser Preislage eigentlich erwarten müsste", sagte Angelo Semeraro am gestrigen Fussball-Talk im Kulturschuppen "El Lokal". Semeraro, unter anderem Berater von Johann Vogel und Johan Vonlanthen, hätte sich nach dem klaren 5:1 gegen YB mehr erhofft vom FCZ.
Ebenso Andy Egli (5 Meistertitel, 4 Pokalsiege, 76 Länderspiele), der vor dem Anpfiff in Istanbul auf die Frage, ob es ein Vor- oder Nachteil für den FCZ sei, im letzten Meisterschaftsspiel so locker gegen YB gewonnen zu haben, antwortete: "Es ist sicher ein Vorteil für den FCZ. Jeder Sieg ist eine Motivationsspritze." Statistisch gesehen, fügte Egli hinzu, habe eine Mannschaft, die zu Hause 1:1 spielt, auswärts allerdings nur eine Chance von etwa 30 Prozent, sich zu qualifizieren. Es drängt sich nicht auf, die Statistik nach dem gestrigen Rückspiel zu revidieren.
Gürkan "Gügi" Sermeter, der als dritter Gast zur Talkrunde stiess (er hatte vorher noch ein Nachtessen mit dem FC Aarau, es gab Paella), sah es anders, also richtig: "Es wäre besser gewesen, der FCZ hätte nicht so leicht gegen YB gewonnen. Ein stärkerer Gegner wäre als Vorbereitung auf das CL-Qualifikationsspiel gegen Besiktas sicher besser gewesen." Aus dem Publikum rief jemand Ex-YB-Spieler Gügi zu: "Du hättest bei YB bleiben sollen, so einfach wärs für den FCZ nicht geworden." Gelächter, Applaus. Gügis Konter: "Am Samstag empfangen wir in Aarau den FCZ. Es wird sicher wieder mindestens fünf Tore geben." "Auf welcher Seite?" "Hälftig verteilt: 3 für uns, 2 für den FCZ." Wieder Gelächter, und viel Applaus für Gügi, der diese Saison fast beim FCZ gelandet wäre. Trainer Challandes wollte ihn, Sportchef Fredy Bickel auch, von der Chefetage kam das Nein - zu alt. Mit 33!
Die einzige Überraschung am gestrigen Fussball-Abend: Ajax Amsterdam verpasste gegen Prag die Qualifikation für die Champions League (soviel zum "historischen Sieg" der Schweizer Nationalmannschaft im Freundschaftsspiel gegen Holland von letzter Woche!). Offenbar spielt auch die Weltmacht Holland mit ganz gewöhnlichen Bällen, Grund zur Euphorie besteht für Köbi Kuhn nach dem Achtungserfolg gegen die Van Bastens nicht.
Nach dem Schlusspfiff diskutierten die Gäste der "Zona Cesarini", dem Fussball-Talk im El Lokal, vor allem übers Geld. Egli: "Besiktas hat 60, vielleicht sogar 100 Millionen zur Verfügung, der FCZ hat ein Budget von 12 Millionen." Und an die FCZ-Fans im Publikum gerichtet: "Sagt eurem Präsidenten Canepa, er soll endlich die Geldschatulle aufmachen." Aus dem Publikum: "Nicht seine Schatulle, die seiner Frau." Schallendes Lachen. Ernster wurde es, als Viktor Bänziger, der Hausherr im El Lokal, Johann Vogels Berater Semararo ausdribbeln wollte: "Erzähl doch nicht so einen Seich!" Semeraro hatte zuvor auf die Frage, wie denn nun die Zukunft Johann Vogels aussehe, mit dem Hinweis auf Vogels private Situation geantwortet. Vogel sei verheiratet, habe drei Kinder, auch das gelte es bei einem Transfer zu berücksichtigen. Viktor, ein Fan von Johann Vogel und entsprechend enttäuscht, dass Vogel offenbar auch aus familiären Gründen eine Rückkehr zur AC Milan (Semeraro bestätigte gestern erstmals dieses Angebot) nicht in Betracht ziehe, meinte: "Wenn jemand die Möglichkeit hat, bei Milan zu spielen und zudem soviele Millionen verdient, dann darf die Familie gopfrestutz kein Thema sein. Die Karriere eines Spielers ist zeitlich beschränkt, er muss das Maximum rausholen." Semeraro: "Das ist eine berechtigte Frage. Ich kann Johann beraten, nicht aber zu einem Entscheid zwingen. Am Schluss entscheidet immer der Spieler allein, welche Prioritäten er setzen will. Dass Johann als Profi auch an die Familie denkt, darf ihm sicher nicht vorgeworfen werden. Im Fall von Milan hat es aber nichts mit der Familie zu tun."
"Sag mal, Gügi, wie konzentrierst du dich, zum Beispiel während der Halbzeitpause? Was heisst für dich Konzentration ganz konkret?" Die Frage stellte ein Fachmann im Publikum, Thomas Spielmann, Sportpsychologe und erfolgreicher Mentalcoach. "Ganz konkret? Ich gehe auf die Toilette und löse Wasser." Abermals hat er die Lacher auf seiner Seite, aber Gügi meinte es tatsächlich ernst. "Die ersten fünf Minuten in der Pause brauche ich absolute Ruhe, und die finde ich meistens auf der Toilette. Dort kann ich mich am besten konzentrieren." Egli: "Als Spieler ging es mir genauso. Kurz vor dem Spiel, aber auch in der Halbzeitpause, steckst du geistig in einer Röhre. Du hörst nichts mehr, sieht nichts mehr. Als Trainer weiss ich das und halte mich entsprechend zurück, auch wenn das nicht so rüberkommt. Wenn ich an der Seitenlinie wild gestikuliere, dann mache ich es nur aus psychohygienischen Gründen, Stressabbau für mich, denn die Spieler, das weiss ich, hören mich in dieser Phase nicht."
Gegen 22 Uhr war der offizielle Teil des Talks vorbei, mit freudigem Ergebnis: Spielervermittler scheuen in der Regel das Licht, Semeraro machte eine Ausnahme und ist erfreulicherweise nicht zu einem dampfenden Staubhäufchen zerfallen wie weiland Christopher Lee. GC-Legende Egli hat das FCZ-lastige El Lokal ebenfalls in bester Gesundheit verlassen und den letzten Zug nach Bern genommen. Sermeter, trotz Provokation ("Wir schlagen am Samstag den FCZ!"), hat seinen Sympathiebonus bei Freund und Feind nicht eingebüsst (zumal Freund und Feind während der laufenden Transferperiode ein relatives Koordinatensystem ist).
Der nächste Talk findet am 19. September statt, wiederum im El Lokal. Alle Infos auf diesem Blog oder auf www.ellokal.ch.
P.S. Werde versuchen, das nächste Mal ein Video ins Netz zu stellen, damit jene, die den Flieger verpassen, auch von weit entfernt (Bern, St.Gallen, Ouagadougou) nachträglich mithören und zugucken können.
August 30, 2007, 12:46 nachm.
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28. August 2007
In eigener Sache
Liebe Blogger
Morgen Mittwoch, 29. August, lade ich im Zürcher Kulturspunten "El Lokal" zu meinem ersten öffentlichen Fussball-Talk ein. Beginn: 18.45 Uhr. Anschliessend schauen wir an konventionellen Fernsehgeräten, die im Lokal zur Verfügung stehen, und auch auf Grossleinwand, wie es der FCZ gegen Besiktas in die Champions League schafft (Spielbeginn: 19.15 Uhr) und diskutieren anschliessend, wieso es am Schluss doch wieder knapp nicht gereicht hat.
Ich werde mich mit verschiedenen Gästen unterhalten, die selbstverständlich auch vom Publikum interviewt werden sollen. Und stelle mich logischerweise selber der fachmännischen Kritik. Finden ja nicht immer alle alles objektiv richtig, was ich hier schreibe, was ich wiederum falsch finde, denn es ist subjektiv richtig, auch wenn objektiv falsch, denn es ist ja meine Optik, drum subjektiv...(Alain Sutter: "Die Wahrheit ist relativ!")
Wie auch immer: Wer Lust hat, kommt auf ein Bier und ein paar Sprüche vorbei. Freue mich. Bis morgen.
Herzlich, wdg
weitere Infos unter: www.ellokal.ch
August 28, 2007, 06:32 nachm.
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26. August 2007
Young Boys, indeed!
Der FCZ fertigte YB heute ab, 5:1. Es sah zeitweise aus wie im Training.
Es nähme mich wunder, wie das Spiel verlaufen wäre, wenn die Berner ihre 1. Mannschaft nach Zürich geschickt hätten.
Der eine sah zwar aus wie die Kopie von Hakan Yakin, doch so pomadig spielt nicht mal das Original.
August 26, 2007, 12:03 vorm.
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25. August 2007
Nachbetrachtungen II
....und hier noch das kurze Update zu Johann Vogel.
"Ich soll fragen, wie es Ihnen geht, bitten mich Blogger. Wie geht's?"
"Ganz ordentlich."
"Also schlecht?"
"Nicht super, aber auch nicht schlecht. Ordentlich, halt."
"Trainieren Sie wieder mit Ihrer Mannschaft, Betis Sevilla?"
"Leider nicht. Am 4. September treffen sich meine Anwälte mit den Anwälten von Betis. Wir versuchen, uns aussergerichtlich zu einigen."
"In Zukunft sind Richter für das Training zuständig?"
"Die Richter werden entscheiden – falls es soweit kommen sollte -, wer recht hat. Betis ist mir immer noch einen Teil meines Lohnes für die abgelaufene Saison schuldig. Zudem habe ich noch zwei Jahre Vertrag. Und ich will wieder mit der ersten Mannschaft trainieren können."
"Die Blogger fragen auch, ob das Angebot von Everton noch gilt?"
"Das Angebot von Everton ist auf Eis gelegt. Solange die Sache mit Betis nicht bereinigt ist, bin ich blockiert."
"Wie lange kann die Wirtschaftsblockade dauern?"
"Vier, fünf Monate, wenn's schlecht läuft. Ist gut möglich, dass ich bis Ende Jahr nicht mehr spielen werde."
"Die Schweiz ist definitiv kein Thema?"
"Die Schweiz ist immer ein Thema zum wohnen. Meine Karriere als aktiver Fussballer werde ich aber im Ausland beenden."
"Denken Sie ans Aufhören?"
"Sollte ich in den nächsten Wochen keinen Verein finden, der mir neue Perspektiven bietet, werde ich in den nächsten Monaten einen Trainerkurs anfangen bis ich einen neun Klub habe. Ich kann mir durchaus vorstellen, später einmal meine Erfahrungen als Trainer einzubringen und in der Schweiz zu arbeiten."
"Köbi Kuhn geht in zehn Monaten in Pension."
"Genau. Und ich übernehme seinen Posten!"
"Zurück als Nationalspieler, meinte ich. Sie sind erst 30!"
"Ich bin Realist. Zuerst muss ich eine neue Mannschaft finden, dann müssen meine Leistungen stimmen, schliesslich muss der neue Nationaltrainer mich wollen. Gerade ein bisschen viel aufs Mal. Grundsätzlich habe ich eine Rückkehr nie ausgeschlossen, falls sich Köbi Kuhn mit Alice auf den Rigi zurückzieht."
"Hat Nkufo auch gesagt. Haben Sie das Spiel gegen Holland gesehen?"
"Nur die letzte halbe Stunde."
"Und?"
"Kompliment an die Mannschaft. Eine gute Leistung. Allerdings: Ich glaube nicht, dass die Holländer Vollgas gegeben haben, was die Leistung der Schweizer nicht schmälert. Sie haben überzeugt."
"Also hatte Köbi Kuhn doch recht, Sie auszubooten?"
"Ich habe nie gesagt, dass ich seine Entscheidung sportlich nicht akzeptieren kann. Jeder Trainer hat das Recht, die Spieler aufzubieten, die er will. Was mich enttäuschte, ist die Art und Weise, wie ich rausgeworfen wurde nach all den gemeinsamen, schönen Jahren."
"Das Jahr 2007 ist kein gutes Jahr für Sie. Sportlich schon mal so eine negative Zeit erlebt?"
"Nein, es ist das schwierigste Jahr, seit ich Fussballprofi bin. Allerdings: Es ist ein Klagen auf hohem Niveau, wie man so schön sagt."
"Leider sind mir jetzt die Fragen der Blogger ausgegangen. Könnte ich Sie später vielleicht nochmals interviewen?"
"Kein Problem, im Moment habe ich viel Zeit."
August 25, 2007, 12:46 nachm.
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24. August 2007
Nachbetrachtungen
Nach dem konzisen Matchbericht im letzten Blog, hier eine etwas differenzierte Nachbetrachtung zum historischen Sieg der Schweiz über Grossmacht Holland, der - nimmt man einige Zeitungskommentare beim Wort - weltweit für eine tektonische Plattenverschiebung sorgte.
Dass es das erste Spiel der Schweizer Nationalmannschaft war, in welchem Johann Vogel nicht vermisst wurde, war als Kompliment gedacht für Inler und Gelson, die im Mittelfeld überzeugten, und nicht als Abwertung Vogels. Zur Erinnerung: Vogel war Captain der Nationalmannschaft, Meister mit PSV, Fussballer des Jahres in Holland, schliesslich Spieler beim AC Milan, wo er in einer Saison immerhin zu 23 Einsätzen kam. Eine beachtliche Leistung für einen Alibispieler. Einen Spieler, der tatsächlich anderswo (lat. Alibi) spielte, nämlich meistens auf höchstem Niveau, während andere sogenannte Schweizer Stars, kaum im Ausland, auf der Ersatzbank verglühen.
Walter Lutz, langjähriger Chefredaktor des Sport (für die jüngeren Leser dieses Blogs: das war eine Sportfibel, die Jahrzehnte lang nicht bloss im Fussball die Koordinaten festlegte), fasst Vogels Qualitäten wie folgt zusammen: "Er kann sich nach rechts drehen, er kann sich nach links drehen." Mit anderen Worten: Er ist fähig, den Ball von allen Richtungen anzunehmen und ihn in alle Richtung weiterzuspielen, weil er sowohl den rechten als auch den linken Fuss komplementär einzusetzen weiss. Sollte man von einem Profi in der Regel erwarten können, ist in der Regel aber nicht so.
Tempi passati: Vogel ist nicht mehr dabei, doch die kollektive Begeisterung von Medien, Spieler und Trainer über die ansprechende Leistung der Schweiz gegen Holland ist doch mehr als erstaunlich. Wie hiess es noch diesen Frühling? Die Leistung an der WM 2006 sei überbewertet, die Nullnummer gegen die Ukraine gar verklärt worden. Die posttraumatische Depression sei auch Resultat dieser Verblendung. Einige Spieler gaben zu, die Bodenhaftung verloren zu haben in der künstlich erzeugten Euphorie. Droht nochmals das Gleiche? Zuschauer Alex Frei nach dem Freundschaftsspiel gegen Holland: "Hohe Schule."
Zum Unentschieden gegen Argentinien vor ein paar Monaten (bei fast irregulären Platzverhätnissen aufgrund eines Platzregens) schreibt heute der Blick: "Am 2. Juni verblüfften die Schweizer beim 1:1 gegen Argentinien erstmals die Welt." Die Welt? Und weiter: "Am Mittwoch liessen sie mit dem Erfolg gegen Holland nochmals aufhorchen."
Von Nordkorea über Burkina Faso bis Patagonien und Tasmanien, Milliarden von Menschen, die sich dieser Tage nur eines fragen: Wie nur hat die Schweiz das Wunder vollbracht?
Ich wäre konkreter: Ist die Schweiz schon Europameister?
August 24, 2007, 05:16 nachm.
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23. August 2007
Matchbericht CH-NED 2:1
Es ist das erste Spiel, in welchem Johann Vogel nicht vermisst wurde.
August 23, 2007, 07:24 nachm.
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21. August 2007
Sonia Emerson zur AC Milan
Ein Interviewauszug aus der Römer Tageszeitung La Repubblica vom 9. August: "Mein Mann wäre bereit, sogar auf einen Teil seines Lohnes zu verzichten, um wieder in Italien zu spielen. Einzige Bedingung: Er würde gerne einen Vertrag unterschreiben, der längerfristig ist als sein jetziger Vertrag mit Real Madrid. Der läuft 2009 aus. Zu welchen Vereinen er gerne wechseln würde? Zu Juventus Turin, aber das hängt ganz vom Präsidenten ab. Bei der AC Milan hat es viele Brasilianer, und alle sind Freunde. Ich persönlich würde Milan vorziehen."
Heute Abend wurde bekannt, dass Sonia Emerson, die das Interview gab, zur AC Milan wechselt. Sie nimmt ihren Mann, den 31-jährigen brasilianischen Mittelfeldspieler Ferreira da Rosa Emerson, für eine Ablösesumme von fünf Millionen Euro mit.
August 21, 2007, 10:48 nachm.
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20. August 2007
P.P.S. Marco Streller
Im Interview der Weltwoche hatte mir Marco Streller auf die Frage, ob er die Rückkehr Nkufos in die Nationalmannschaft fürchte, geantwortet: "Wieso?" Es wirkte sehr selbstbewusst. Will heissen: "Ich muss mich vor niemandem verstecken."
Im letzten Blog habe ich mir ein paar weiterführende Bemerkungen zum Interview erlaubt.
Ronnie Grob, der eine informative, intelligente Medien-Webseite unterhält (http://www.medienlese.com), fragt nun, ob man inskünftig den Blog lesen muss, um die Weltwoche zu verstehen.
Wie seinerzeit im ersten Interview mit Nkufo bietet der Blog eine gute Möglichkeit, die aus Platzgründen oft komprimierten Texte in einer extended version zu präsentieren, gelegentlich ist sogar das making-of interessant. Der Blog ist eine zusätzliche Informationsquelle, die gedruckte Version sollte aber immer selbsterklärend sein.
Klingt alles ein bisschen proseminarmässig, drum zurück zur konkreten Fallstudie:
Marco Streller wurde heute in der zweiten Halbzeit im Spiel GC-FCB (2:0) ausgewechselt, was ihn sichtlich nicht gefreut hat. Er wollte direkt in die Umkleidekabine, Christian Gross dirigierte ihn aber auf die Ersatzbank, wo er sich hinsetzte und mit der Faust gegen die Plexiglaswand schlug.
Der Frust ist verständlich: Strelli hatte keinen Stich. Das Spiel lief an ihm vorbei. Als einzige Spitze war er verloren wie Jack Carver im Nintendo-Paradies. "Ich hätte gern einen Sturmpartner", sagte mir Marco.
Drum nochmals die Frage: Ist Strelli wirklich so schlecht oder passt er nicht ins System mit einem Solo-Stürmer? (Oder beides?)
Womit sich die eigentliche Frage stellt: Wer ist sturer von beiden - Köbi Kuhn oder Christian Gross?
August 20, 2007, 01:02 vorm.
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17. August 2007
P.S. Marco Streller
Zwei Nachbemerkungen zum Interview mit Marco Streller (im aktuellen Heft der Weltwoche), den ich diese Woche vor dem Uefa-Qualifikationsspiel gegen Mattersburg (2:1) getroffen habe.
1. Ich habe Streller oft kritisiert, das heisst eigentlich immer, er ist mein Lieblingsopfer. Das weiss Marco, trotzdem hat er eingewilligt - nach meiner offiziellen Anfrage beim FCB -, mit mir zu reden (die SMS hatte er zuvor nicht beantwortet, ebensowenig nahm er das Handy ab - muss ich akzeptieren). Er ist ein sympathischer Kerl, drum hier auch die andere Seite des Problems Streller. Marco ist nicht gemacht für einen Ein-Mann-Sturm, doch genau in einem solchen Sturm spielt er beim FCB, oft auch in der Nationalmannschaft. Auf die Frage, ob er Angst um seinen Platz habe, jetzt, wo Blaise Nkufo sein Comeback im Schweizer Team gibt, sagte er, er spiele grundsätzlich gerne mit einem Sturmpartner. Das scheint mir eine ehrliche Antwort zu sein. Die Frage drum an Christian Gross, FCB-Trainer und zukünftiger Nationalcoach: Warum dem lieben Strelli nicht mal einen Support mitgeben auf den Weg in die Prärie?
"Ich werde nie so elegant aussehen wie ein Kubi Türkyilmaz", sagte mir Streller. Auch diese Einschätzung ist richtig. Er wirkt mit seiner Körpergrösse von gefühlten zweieinhalb Metern nicht eben beweglich. Aber im 16er zeigt er durchaus Qualitäten. "Wenn kümmert's", sagte mir WM-Abstauber Paolo Rossi vor wenigen Wochen in Stuttgart, "ob das Tor mit dem spitzen Knie oder mit dem Schienbein erzielt wurde. Hauptsache, der Ball ist drin."
2. Was mir bei ihm auf den Sack gehe, um es deutlich zu sagen, sei die Art, wie er mit Kritik umgehe. Er sei beim VfB gescheitert, was auch kein Skandal sei. Aber er solle doch endlich aufhören, sich selber etwas vorzumachen und das Gegenteil zu behaupten. Erstaunlicherweise gab mir Streller recht: "Ja, ich bin in Stuttgart gescheitert. Ich habe mir dort keinen Stammplatz erkämpft." So hatte ich das von ihm noch nie gehört. Und so stand es dann auch nicht in der Weltwoche. Denn die Presseabteilung des FCB liess diese Passage durch den Weichspüler. Heraus kam genau das Gegenteil von dem, was Strelli sagte. Nämlich: "Es ist mir nicht wünschgemäss gelaufen. Aber heisst das, dass ich gescheitert bin? Nein." Worauf ich mich mit dem vereinsinternen Weichspüler des FCB auf die Version geeignet habe: "Es ist mir nicht wünschgemäss gelaufen." Schade. Ich hatte zugesagt, dass Interview gegenlesen zu lassen, aber nicht umzuschreiben und inhaltlich auf den Kopf zu stellen. Womit sich die Frage stellt: Ist tatsächlich Strelli ein Weichei oder sind es seine Berater? Wieso Angst haben, wenn man die Wahrheit sagt, zumal diese Wahrheit (Streller/VfB) offensichtlich ist?
Hier das Interview für all jene, die diese Woche beim Kiosk vorbeischauten, aber keine gedruckte Ausgabe der Weltwoche mehr finden konnten:
Marco Streller, was denken Sie, wenn Sie einen Ball verstolpern?
Ich rege mich auf, ganz klar, aber ich würde nie so weit gehen, mir jedes Mal die Sinnfrage zu stellen. Dafür habe ich schon zu viele gute Momente im Fussball erlebt.
An der WM letztes Jahr waren Sie nach dem verschossenen Elfmeter im Achtelfinal gegen die Ukraine der Buhmann der Nation. Wieso eigentlich? Auch Ihre Kollegen haben verschossen.
Man hat mir meine Nervosität angesehen. Ich wollte den Elfmeter nicht schiessen, aber irgendeiner musste die Verantwortung übernehmen. Heute, ein Jahr danach, habe ich die Sache verdaut. Aber ich habe verdammt lang daran zu kauen gehabt. Ich bin einer, der gerne die Klappe aufreisst, ich wollte beweisen, dass auch etwas dahinter steckt. Giovanni Trapattoni hat mir mal gesagt: «Wenn du einen Elfmeter schiesst, dann immer mit Überzeugung.» Das war bei mir in dieser Szene leider nicht der Fall.
Roberto Baggio – er verschoss in einem WM-Final den entscheidenden Elfmeter – sagt: «Es kann nur jemand einen Penalty verschiessen, wenn er ihn auch schiesst.» Trotzdem: Für einen Profi war Ihr Schuss unterirdisch schlecht.
Es war ein fürchterlicher Elfmeter, ja. Als ich den Ball treten wollte, fehlte mir plötzlich die Kraft. Als hätte jemand den Stecker rausgezogen. Ich hatte Angst. Es war schlimm.
Unabhängig von dieser Szene – Sie sind ein Spieler, der polarisiert. Wissen Sie, wieso?
Zu Beginn meiner Karriere wurde ich nur gelobt, auch dann, wenn ich es nicht verdient hatte. Ich gewöhnte mich daran. Als ich erstmals kritisiert wurde, war das für mich eine ganz neue Erfahrung. Ich konnte nicht so gut damit umgehen und habe vielleicht falsch darauf reagiert, einen Spruch gemacht, der nicht angebracht war. Vielleicht habe ich damals einige Leute genervt. Was ich früher zu viel an Lob bekommen habe, wird heute durch übermässige Kritik kompensiert. Die Rechnung dürfte inzwischen ausgeglichen sein.
Ich finde, Sie könnten noch ein bisschen Kritik vertragen. Vor allem von Ihnen selbst.
Ich schiesse regelmässig meine Tore, auch in der Nationalmannschaft. Doch wie heisst es immer: Marco Streller schiesst ein Tor. Aber. Es kommt immer ein Aber. Auch nach dem Spiel gegen Argentinien. Ich war die einzige Spitze und habe gegen einen Weltklassegegner ein Tor geschossen. Aber. Das verstehe ich nicht. Ich habe nie behauptet, ich sei ein grosser Fussballer. Ich bin extrem selbstkritisch, extrem.
Dann liegt es an mir. Ich höre bei Ihnen immer einen leicht weinerlichen Ton heraus, vor allem wenn Sie über Ihre Erfahrungen in der Bundesliga sprechen. Sie haben sich in Deutschland nicht durchgesetzt — was kein Skandal ist — und suchen immer nach Ausreden.
Ich habe mich in Stuttgart nicht wunschgemäss durchgesetzt, das stimmt. Ich habe mir dort keinen Stammplatz erkämpft, aber ich hätte in Deutschland bleiben können. Doch ich wollte zurück zum FC Basel, weil ich hier das Vertrauen geniesse vom Trainer und einen Verein habe, der bedingungslos hinter mir steht. Ich habe keinen Grund, mich zu bemitleiden. Wenn das so rüberkommt, tut es mir leid. Ich bin stolz auf das, was ich – trotz Tiefen – bisher erreicht habe. Ich habe auf sehr viel Geld verzichtet, um nach Basel zurückzukommen. Es ist eine Herzenssache.
Als Profifussballer ist Ihnen Geld nicht wichtig, nur die Liebe zu einem Verein. Ich bitte Sie!
Ich verdiene beim FC Basel nicht wenig, aber sechs Jahre hier entsprechen vom Lohn her drei Jahren in der Bundesliga. Ob Sie’s glauben oder nicht – es ist eine Herzensangelegenheit. Ich bin seit Kind ein FCBler, ich werde es immer sein.
Ausgeschlossen, dass Sie jemals für den FCZ spielen werden?
Man soll in unserem Beruf nie nie sagen. Mit einer Ausnahme: Für den FCZ werde ich nie spielen. Das ist genetisch unmöglich.
Eine letzte Frage zur Nationalmannschaft. Nächste Woche spielt die Schweiz gegen Holland. Neu im Aufgebot: Goalgetter Blaise N’Kufo. Angst um Ihren Platz?
Wieso?
August 17, 2007, 11:23 nachm.
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Gut gemacht, Blick!
Für einmal eine erfreuliche Meldung zum Blick. André Grieder wird neuer Sportchef an der Dufourstrasse. Ich habe mit Griedi beim alten Sport gearbeitet, dann war ich mit ihm im ersten Jahr von Facts dabei. Beide Zeitschriften gibt es nicht mehr. Was nichts mit Griedi zu tun hat. Er ist ein hervorragender Journalist, integer, mit besten Kontakten zu Fussballern und Trainern. Er war GC-Junior unter Erich Vogel, spielte unter anderem mit Christian Gross zusammen, schaffte es bis in die Nationalliga B. Griedi ist in den Jungbrunnen gefallen, er ist 53, aber würde manchem Jungtalent noch heute um die Ohren laufen. Kurz: Der Blick hat den besten Mann für den Job gewählt. Er wird den Wettbewerb anheizen. Die Sportredaktionen der grossen Tageszeitung werden wieder mit dem Blick rechnen müssen. Von hier aus herzliche Gratulation, Griedi, und alles Gute.
August 17, 2007, 06:36 nachm.
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